Verpflichtende Ausstellung von„E-Rechnungen“ beschlossen
von Christian Handke, LL.M. und Magnus Thiel, LL.M.:
Beschluss zur stufenweisen Einführung von E-Rechnungen im Rahmen des Wachstumschancengesetzes – Was ist nun zu tun?
Nach diversen Meinungsverschiedenheiten, die den Anruf des Vermittlungsausschusses zur Folge hatten, hat der Bundesrat dem sogenannten Wachstumschancengesetz zugestimmt. Trotz der Turbulenzen während des Gesetzgebungsprozesses sollte nicht untergehen, dass in diesem Zusammenhang die stufenweise Einführung einer E-Rechnungspflicht auf den Weg gebracht wurde. Wenngleich der Gesetzgeber diverse Übergangsregelungen eingeräumt hat, ergibt sich hieraus bereits jetzt konkreter Handlungsbedarf für inländische Unternehmer.
Hintergrund
Die Einführung von Regelungen zu elektronischen Rechnungen ist vor allem für die Umsatzsteuer von großer Relevanz. Die Umsatzsteuer wurde im Rahmen von verpflichtend anzuwendenden Richtlinien in der Europäischen Union weitestgehend harmonisiert. So wundert es nicht, dass auch die verpflichtende Einführung von elektronischen Rechnungen keine Idee des deutschen Gesetzgebers ist. Vielmehr ist sie Teil der Initiative „VAT in the Digital Age“, die die Europäische Kommission ausgearbeitet hat, um die umsatzsteuerlichen Regelungen an das digitale Zeitalter anzupassen.
Ziel der Europäischen Kommission ist es, dass elektronische Rechnungen durch das von ihnen bereitgestellte Datenmaterial die Grundlage für ein digitales Meldesystem innerhalb der Europäischen Union bilden können. Einige Mitgliedsstaaten haben deshalb bereits zeitgleich Maßnahmen zur Einführung eines digitalen Meldesystems getroffen. Deutschland beschränkt sich zunächst auf die Einführung von elektronischen Rechnungen und hat sich zudem bestimmte nationale Sonderrechte zusichern lassen.
Gesetzliche Änderungen
Die Verpflichtung, elektronische Rechnungen auszustellen, umfasst zunächst lediglich nationale Umsätze von Unternehmern an Unternehmer (B2B-Umsätze). Dies bedeutet, dass es sich um eine in Deutschland steuerbare Leistung handeln muss und sowohl Leistender als auch Leistungsempfänger im Inland ansässige Unternehmer sind. Als im Inland ansässig gilt auch eine (am Umsatz beteiligte) umsatzsteuerliche Betriebsstätte in Deutschland, nicht jedoch ein (im Ausland ansässiger) Unternehmer, der sich lediglich für umsatzsteuerliche Zwecke in Deutschland registriert hat. Ausgenommen sind Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 bis 29 UStG steuerbefreit sind, bspw. Vermietung von Grundstücken. Weitere Ausnahmen gelten für Kleinbetragsrechnungen (< EUR 250 brutto) und Fahrausweise (z. B. für eine Busfahrt).
Entscheidend ist, was nach Vorgabe der Europäischen Kommission die Voraussetzungen einer sogenannten „E-Rechnung“ erfüllt. Die bisherige deutsche Definition einer elektronischen Rechnung war verhältnismäßig weit gefasst. Eine „E-Rechnung“ im Sinne der neuen Regelung umfasst nur noch solche elektronischen Rechnungen, die den Vorgaben der Richtlinie 2014/55/EU, also der CEN-Norm 16931, entsprechen. Alternativ wird die Möglichkeit eingeräumt, dass sich Rechnungsaussteller und -empfänger mittels einer Vereinbarung auf ein anderes elektronisches Rechnungsformat (z. B. „EDI“-Verfahren) geeinigt haben und dieses ermöglicht, dass die gemäß der Richtlinie erforderlichen Angaben extrahiert werden können oder das System interoperabel ist. Alle anderen Rechnungen, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, werden künftig als „sonstige Rechnungen“ zusammengefasst.
Zeitpunkt der Einführung und Übergangsregelungen
Grundsätzlich sind ab dem 1. Januar 2025 E-Rechnungen für nationale B2B-Umsätze auszustellen.
Allerdings hat der Gesetzgeber diverse Übergangsfristen eingeräumt. So ist auch in den Jahren 2025 und 2026 noch die Ausstellung von sonstigen Rechnungen (Papier, PDF, andere elektronische Rechnungen) zulässig. Kleinere Unternehmen (Gesamtumsatz im Kalenderjahr 2026 < EUR 800.000) dürfen auch noch im Jahr 2027 sonstige Rechnungen ausstellen. Auch Rechnungen, die mittels des „EDI“-Verfahrens ausgestellt werden, sind im Jahr 2027 noch zulässig, wenn der Rechnungsempfänger zustimmt. Ab dem Jahr 2028 sind die Regelungen zur Ausstellung von E-Rechnungen dann ohne Einschränkungen anzuwenden.
Einordnung und Handlungserfordernisse
Aufgrund der großzügigen Übergangsregelungen gehen viele Unternehmer noch nicht von einem konkreten Handlungsbedarf aus. Die Verpflichtung zur Ausstellung von normgerechten E-Rechnungen trifft Unternehmen erst ab dem Jahr 2027 oder 2028.
In diesem Zusammenhang wird oft vergessen, dass keine Übergangsregelung im Hinblick auf den Empfang von E-Rechnungen implementiert wurde. Dies bedeutet, dass inländische Unternehmer darauf gefasst sein müssen, dass sie ab dem 1. Januar 2025 der europäischen Norm entsprechende E-Rechnungen erhalten. Denn hierfür braucht es keine Zustimmung des Rechnungsempfängers. Es besteht auch keine Verpflichtung, zusätzlich ein anderes Rechnungsformat bereitzustellen. Da die Daten in die Buchhaltung – insbesondere auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – integriert werden müssen, besteht akuter Handlungsbedarf, die ERP-Systeme entsprechend auf den Empfang solcher Datensätze ein- und ggf. umzustellen.
Perspektivische Entwicklung
Wie sich die Einführung von E-Rechnungen zusammen mit einem in Deutschland noch nicht vorgesehenen, aber voraussichtlich ab 2030 eingeführten digitalen Meldesystem auswirken kann, zeigt sich an dem Fall Italien, welches eine Art Vorreiterrolle innerhalb der Europäischen Union einnimmt und das digitale Meldesystem bereits eingeführt hat. Dort zeigt sich bereits, dass E-Rechnungen eine effizientere und genauere Datenerfassung ermöglichen. Da die Datensätze direkt elektronisch an die zuständigen Behörden übermittelt werden, wurden umsatzsteuerliche Meldungen bereits obsolet oder vereinfacht. Auch im buchhalterischen Bereich bringt dies große Zeiteinsparungen mit sich. Gleichzeitig findet faktisch eine Überwachung in Echtzeit durch die Steuerbehörden statt. Diese „permanente Prüfung“ sorgt dafür, dass Unregelmäßigkeiten schneller erkannt und adressiert werden und trägt massiv zur Bekämpfung von (Umsatz-)Steuerbetrug bei.
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